Das Raketenartillerielehrbataillon 72

 
 
Mit der Verlegung  der Raketenschule des Heeres nach GEILENKIRCHEN beginnt die Aufstellung des Raketenartillerielehrbataillons (RakArtLBtl0. Hierzu werden das RakArtLBtl 1 und das RakArtBtl 72 aufgelöst und zu Teilen während der zweiten Jahreshälfte 1969 in den neuen Standort der Raketenschule verlegt.
Mit Wirkung vom 16.01.1970 wird das RakArtLBtl 72 aufgestellt und verfügt über
- eine Stabs- und Versorgungsbatterie
- zwei HONEST JOHN-Batterien
- eine LARS-Batterie
- eine Begleitbatterie und 
- eine SERGEANT-Lehrbatterie
Das Bataillon ist in Friedenszeiten als Lehrtruppe der Raketenschule des Heeres und im Einsatzfall dem Artillerieregiment 7 unterstellt. Dieser Doppelauftrag führt zwangsläufig zu erheblichen Belastungen und zusätzlichen Forderungen. Die SERGEANT-Lehrbatterie (RakArtLBttr Sgt) wird dem RakArtBtl 150 für den Einsatz unterstellt.

Schon im Mai 1970 absolviert das Btl seinen ersten Truppenübungsplatzaufenthalt in GRAFENWÖHR. Nach der Rückkehr gibt der Inspizient der Artillerie am 20.06.1970 der Kaserne in GEILENKIRCHEN-NIEDERHEID den Namen “SELFKANT-KASERNE”. Die Namensgebung in Anlehnung an den westlichsten Zipfel der Bundesrepublik Deutschland bei Geilenkirchen soll die enge Verbundenheit der Soldaten mit der Bevölkerung symbolisieren.
Im September des selben Jahres verschiesst die RakArtLBttr Sgt bei der Übung MINOTAURUS 70 auf KRETA ihre erste und einzige Rakete bei Nacht.
Nach einem Truppenübungsplatzaufenthalt in GRAFENWÖHR stellt sich das Bataillon zum erstenmal der Öffentlichkeit mit einer Feldparade in GEILENKIRCHEN vor. Um den Kontakt zur Bevölkerung weiter zu verbessern schliessen die 1. bis 4.Batterie Patenschaften zu den umliegenden Gemeinden STRAETEN; TRIPSRATH; KIRCHHOFEN und HATTERATH.
Schon ein Jahr später im Januar 1971 wird das Btl erneut umgegliedert. Die beiden HONEST JOHN-Bttr werden zu einer Grossbatterie mit 4 Raketenwerfern zusammengefasst. Die 3.Batterie erhält den Auftrag die Kaderausbildung der DivRakArtBtl für das Waffensystem lRakWfr 110 mm SF durchzuführen.
Die Raketenschule des Heeres wird zum 01.01.1973 in Raketenschule der Artillerie (RakSArt) umbenannt. Gleichzeitig erhält das Bataillon mit der Umstellung auf den verkürzten Wehrdienst (15 Monate) den Auftrag die allgemeine Grundausbildung für die RakSArt durchzuführen. Dieser Auftrag wird von der 3.Bttr durchgeführt.
Im März 1974 verschiesst die RakArtLBttr Sgt bei MINOTAURUS 74 ihre letzte SERGEANT-Rakete. Noch im Oktober des selben Jahres absolvieren Unteroffiziere der Bttr eine Kaderausbildung am Nachfolgesystem LANCE in FORT SILL, OKLAHOMA.
Im gleichen Jahr wird die Fussballmanschaft der RakSArt unter massgeblicher Beteiligung der Bataillonsangehoerigen Vizemeister des Heeres.
Im Mai 1975 erreicht die 2.Batterie beim AAT/ATT (Jahresalarm- und Gefechtsbesichtigung) das beste Ergebnis aller atomarer Einheiten der Bundeswehr. Die 4.Batterie gewinnt vor der 2.Batterie den Korpsvermessungswettbewerb NORDPFEIL.
Eine andere Art der Voelkerverständigung erleben Angehoerige des Bataillons im Herbst in LIVRE (FRANKREICH). 27 Soldaten helfen im Rahmen der Kriegsgräberfürsorge bei der Pflege des Soldatenfriedhofes. Das Motto “Versoehnung über den Gräbern” wird mit Einsätzen im Jahre 1981 (MEURCHIN bei ARRAS/NORDFRANKREICH) sowie 1982 und 1983 (Soldatenfriedhof “Mont-de-huines” bei PONTERSON) fortgesetzt.
Die RakArtLBttr Sgt wird nach abgeschlossener Ausbildung am 01.10.1975 in RakArtLBttr FK LANCE umgegliedert und umbenannt. Zum Jahresende verschiesst sie als erste deutsche Einheit eine LANCE-Rakete auf KRETA. Mit der RakSArt führt dir Bttr von März 1976 bis Ende 1977 die Kaderausbildung der RakBtl 250; 350; 650 und 150 für das neue Waffensystem durch.
Der Höhepunkt des Jahres 1976 ist der lang vorbereitete Tag der offenen Tür. Nahezu 65.000 Gäste besuchen das Bataillon und die RakSArt in der Selfkant-Kaserne.
1978 wird das Btl bundesweit in Presse und Fernsehen bekannt, als ein Truppenübungsplatzaufenthalt in GRAFENWÖHR aufgrund einer Grippewelle im Btl ausfallen muss. Dafür wird die RakArtLBttr LANCE Jahresbeste aller schiessenden Raketenverbände bei MINOTAURUS 78.
Am 29.06.1979 kommt das Bataillon zu besonderen Ehren. Es stellt den deutschen Ehrenzug bei der Verabschiedung des SACEUR (Oberster Alliierter Befehlshaber Europa) General Haig.
Durch einen Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über das “unmilitaerische” Auftreten der Soldaten in MONS wird das Bataillon wiederum bundesweit bekannt. Dieser Artikel, der sich mit der Bedeutung der formalen Disziplin in einer modernen Armee beschäftigt, sorgt noch wochenlang für engagierte Diskussions- und Briefwechsel in und ausserhalb der Bundeswehr.
Am 03.10.1979 verschiesst die 2.Bttr in Anwesenheit des Divisionskommandeurs ihre letzte HONEST-JOHN-Rakete. Mit Wirkung vom 01.10.1980 wird die 2.Batterie aufgelöst. Die 4.Batterie wird in 2.Batterie und die 5.Batterie in 4.Batterie umbenannt. Die RakArtLBttr LANCE erhält die neue Bezeichnung 5./RakArtBtl 150. Parallel erfolgt dazu die Umgliederung auf die Heeresstruktur 4, die eine Zentralisierung der Versorgungsdienste auf Btl-Ebene beinhaltet.
Auch in diesem Jahr wird der intensive Kontakt zur Öffentlichkeit gepflegt, so besuchen u.a. Schüler der Geilenkirchener Patengemeinde QUIMPERLE die Selfkant-Kaserne.
Am 07.05.1981 wird das Bataillon als erstes Raketenartilleriebataillon der Bundeswehr mit den leistungsgesteigerten RakWfr 110 mm SF 2 (LARS 2) ausgerüstet. Gleichzeitig erfolgt die Einführung und Übergabe des Feuerleitradargerätes FERA am 01.07.1981 im Rahmen eines Vorführungsschiessens auf dem Truppenübungsplatz BAUMHOLDER. Bei der Entwicklung beider Systeme hatte das Bataillon massgeblich mitgewirkt.
Das entscheidende Ereignis des Jahres ist jedoch die Auflösung der RakSArt und die daraus resultierende Verlegung des Bataillons nach WUPPERTAL.
Grund für die Auflösung sind einerseits die Zentralisierungsbestrebungen der Artillerieschule und die daher erforderliche Eingliederung der Raketenschule der Artillerie als Lehrgruppe B in die ArtS in IDAR-OBERSTEIN. Andererseits erzwingt die Aufstellung des multinationalen EA-3 Verbandes (AWACS), mit seiner Hauptbasis in GEILENKIRCHEN-TEVEREN, die Verlegung des bis dahin dort stationierten Flugkörpergeschwaders 2 in die SELFKANT-Kaserne.
Die Folge für das Bataillon sind der Verlust des Lehrauftrages und die Verlegung an den neuen Standort WUPPERTAL unter dem neuen Namen Raketenartilleriebataillon 72 (RakArtBtl 72). Die 5./RakArtBtl 150 wird, da sie weiterhin Lehrtruppe bleibt, aus dem Unterstellungsverhältnis herausgelöst und nach IDAR-OBERSTEIN verlegt.
Mit einem Appell am 17.09.1981 und einem herzlichen Abschied von den Geilenkirchener Bürgern am 24.09.1981 endet die Geschichte des einzigen Lehrbataillons der Raketenartillerie.
 

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